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Muho's video: 162 Philia - Teamgeist im Kloster 4 Februar 2021

@(162) Philia - Teamgeist im Kloster? 4. Februar 2021
Auszug aus "Das Meer weist keinen Fluss zurück": Liebe besteht nicht darin, dass man einander anschaut, sondern dass man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt. (Antoine de Saint-Exupéry) Ein Beispiel für Philia ist die Liebe, wie sie sich in einer langen Partnerschaft entwickelt, wenn man zusammen durch gute wie böse Zeiten gegangen ist und längst schon, wie Saint-Exupéry sagt, „gemeinsam in dieselbe Richtung blickt“. Auch die Beziehung zwischen Meister und Schüler wird oft von Philia getragen. Wer möchte, kann dabei etwa an die Liebe zwischen Jesus und seinen Jüngern denken. Oder, und da spreche ich aus eigener Anschauung, an den Alltag in einem Zenkloster... In einem Zenkloster gibt es keine Meisterschaft zu gewinnen, keine Gegner, die besiegt werden müssten. Doch auch in einer Mönchsgemeinschaft müssen alle an einem Strang ziehen, und dem Abt obliegt es wie dem Trainer im Fußball, jeden Einzelnen aus der Gemeinschaft dazu zu bringen, stets alles von sich zu geben, ohne dass darunter die Harmonie innerhalb der Gruppe leidet. „Du erschaffst Antaiji!“ Das waren die ersten Worte, die ich von meinem damaligen Abt zu hören bekam. Ich war zweiundzwanzig und hatte keine Ahnung von der Praxis des Zen. Wie sollte gerade ich, zudem noch als einziger Nicht-Japaner im Kloster, Antaiji erschaffen können? Erst später verstand ich, was der Abt wirklich gemeint hatte: Antaiji war und ist der Ort, zu dem ich ihn mache, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ich die Augen und Ohren öffne, werde ich dort mich und die Welt entdecken können. Wenn ich dagegen die Zeit meines Lebens verschwenden will, ist auch das in Antaiji möglich. Es liegt nur an mir. Ein paar Jahre darauf hatte ich an einem anderen, scheinbar vollkommen konträren Lehrsatz meines Meisters zu knabbern. „Auf dich kommt es hier nicht an!“, hatte er zu mir gesagt. Aber sollte ich nicht Antaiji erschaffen? Wie passte das eine zum anderen? Bei näherem Nachdenken löste sich der vermeintliche Gegensatz in Wohlgefallen auf. Beides gehörte zusammen, die Verantwortung für die eigene Praxis und das Absehen vom Ich. Antaiji zu erschaffen bedeutet nämlich nicht, dass jeder alles so machen kann, wie er es für richtig hält. Heute bin ich der Abt. Wenn ich meine Schüler unterweise, variiere ich den Satz meines Meisters und sage: „Ihr müsst als Erstes Antaiji entdecken!“ Jeder Neuling muss sich zunächst einmal mit den Gegebenheiten und den Regeln vertraut haben, ehe er ans Erschaffen „seines“ Klosters denken kann. Dazu braucht er dann die ganze Gemeinschaft, die mit ihm dafür sorgt, dass die Praxis gelingt. Manche meiner Schüler sind sehr beflissen, höflich und strebsam. Sie ecken nie an und stören nie den Klosterfrieden, entwickeln aber keine Eigeninitiative. Sie überlassen es anderen, Antaiji zu erschaffen. Und dann gibt es welche, die voller Ideen stecken und sie auch voller Selbstbewusstsein verwirklichen wollen. Immer streben sie danach, zu den Besten zu gehören. Nur vergessen sie dabei leider allzu oft, dass ihnen das Kloster nicht allein gehört. Von niemandem wollen sie sich etwas sagen lassen. Können sie sich einmal nicht durchsetzen, bedeutet das für sie eine große Kränkung. Dann kommt es vor, dass sie Antaiji Knall auf Fall verlassen. Antaiji soll jedem einzelnen Bewohner so viel Raum geben, wie der Himmel den Vögeln gibt. Wie eine Schar von Zugvögeln mit gemeinsamem Ziel muss die Gemeinschaft sein, wie ein Dahinfliegen in zwangloser Formation bei feststehender Richtung. Und eben weil die Richtung feststeht, kann das zu einer Intoleranz gegenüber Abweichungen führen, die typisch für Philia ist. Tanzt einer aus der Reihe, kann das die ganze Gruppe gefährden. Es ist deshalb wohl kein Zufall, dass es sowohl im Christentum als auch im Buddhismus seit uralten Zeiten den Brauch der Exkommunizierung gibt. Obwohl sich beide Religionen die Errettung aller Wesen zum Ziel gesetzt haben, verlangen sie von ihren Anhängern absolute Hingabe an dieses und nur dieses Ziel. Wer nicht folgen kann oder will, verliert seinen Platz in der Gemeinschaft. Beschwere ich mich als Meister über meine Schüler, bin ich jedoch nicht besser als der Fußballtrainer, der seine Mannschaft an den Pranger stellt; oder der Koch, der dem Gemüse die Schuld am ungenießbaren Essen gibt. Um es ganz klar zu sagen: Wenn mit der Praxis in Antaiji etwas im Argen liegt, trägt nur einer die Verantwortung dafür, und das bin ich, der Abt des Klosters. Gleichzeitig ist aber auch der Schüler für den Meister verantwortlich. Warum? Weil er in ihm immer nur das erkennt, was er selbst auch erkennen will. Es ist ein wechselseitiger Prozess. Der Meister bekommt immer genau den Schüler, zu dem er ihn macht, und der Schüler immer genau den Meister, den er in ihm sehen will.

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Muho
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